Forschung

 

1. Eisen-NHC Komplexe in der Oxidationskatalyse

Eisen ist das am häufigsten vorkommende Übergangsmetall auf der Erde. Es ist günstig, ungiftig und umweltverträglich. Diese Eigenschaften machen es zu einem idealen Kandidaten für katalytische Anwendungen. Eisen-basierte homogene Katalysatoren finden Anwendung in zahlreichen Reaktionen, unter anderem Kreuz-Kupplungs-, Hydrosilylierungs-, (Transfer-)hydrierungs- und Oxidationsreaktionen.[1] Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Entwicklung von Übergangsmetallkomplexen, insbesondere Eisen, mit polydentaten NHC Liganden, die Enzymen nachempfunden sind, die Oxidationsreaktionen ermöglichen. In den vergangen Jahren gelang es uns den Eisen(II)-Komplex 1 mit einem tetradentaten bis(Pyridyl-NHC)-Liganden (NCCN) zu synthetisieren (Abb. 1). Diese Verbindung zählt zu den aktivsten und selektivsten homogenen Katalysatoren für die Bildung von Phenolen aus Arenen.[2] Darüber hinaus stellt sie den ersten bekannten Eisen-NHC-Komplex dar, der in der Epoxidierung von Olefinen angewandt wurde und dabei eine hohe Aktivität und Selektivität aufweist.[3]
Weitere Forschung führte zu der Erschließung der Eisen(II)- und Eisen(III)-Komplexe 2 mit einem Methylen-verbrückten cyclischen tetra NHC-Liganden (cCCCC), die eine strukturelle Ähnlichkeit zu Porphyrin basierten Eisenkomplexen aufweisen (Abb. 1).[4] Der Eisen(III) Komplex 2 weist eine bemerkenswerte Aktivität für die Epoxidierung von Olefinen mit Wasserstoffperoxid als Oxidationsmittel auf (TOF = 183 000 h-1), die jene des optimierten Benchmarksystems Methyltrioxorhenium (MTO) deutlich übertrifft (TOF = 40 000 h-1).[5] Der entsprechende Eisen(II)-Komplex mit einer TOF von 50 400 h-1 zeigt zwar ebenfalls eine höhere Aktivität als MTO, ist aber weniger aktiv als 2 und weist eine Induktionsperiode auf. Dies ist vermutlich auf die Bildung der Eisen(III)-Spezies 2 in situ zurückzuführen.[6] Derzeit beschäftigen wir uns damit die Stabilität dieser Eisen-basierten Oxidationskatalysatoren durch Ligandmodifikationen zu erhöhen. Dabei steht unter anderem die Funktionalisierung der Methylenbrücken im Fokus, die den Weg zu pentadentaten „Hangman“-Komplexen oder der Immobilisierung der Verbindungen bereitet.[7] Andere Ansätze, die Bestandteil unserer Forschung sind, beinhalten die Synthese von Eisenkomplexen mit NHC-Liganden, die nicht auf Imidazol basieren und noch stärkere Donoreigenschaften aufweisen, was zu einer besseren Stabilisierung von Intermediaten mit hohen Oxidationsstufen führen soll, die während der Oxidationskatalyse auftreten. Zusätzlich werden weitere Übergangsmetalle mit verwandten Ligandsystemen hinsichtlich ihrer Eignung in der Oxidationskatalyse untersucht.

Abbildung 1: ORTEP Darstellung der kationischen Fragmente des NCCN-Eisen(II)-Komplexes 1 (links) und cCCCC-Eisen(III)-Komplexes 2 (rechts). Die thermischen Ellipsoide entsprechen einer 50%igen Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind Wasserstoffatome, Lösungsmittelmoleküle und Anionen nicht abgebildet.[6, 8]

 

2. Hydrierungskatalysatoren und Wasserstoffspeicherung

Derzeit ist Erdöl die in der Industrie am meisten genutzte Kohlenstoffquelle. Auf Grund des voranschreitenden Verbrauchs dieses knappen Rohstoffs und des öffentlichen Anliegens der rapide ansteigenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre, kommt der Bedarf nach einer nachhaltigen „grünen“ Alternative auf. Dabei erscheint pflanzliches Lignin vielversprechend. Unsere Forschung setzt sich mit der Entwicklung von homogenen wasserlöslichen Katalysatoren auseinander, die die Hydrierung von aromatischen aus Lignin gewinnbaren Verbindungen ermöglicht. Kürzlich berichteten wir über die Synthese von wasserlöslichen Ruthenium(II)- und Osmium(II)-Komplexen mit bidentaten sulfonierten bis NHC Liganden. Die entsprechende Ruthenium(II)-Verbindung stellt dabei einen Präkatalysator für die effiziente vollständige Hydrierung von Acetophenon und Phenol dar, die auf Grund ihrer Ähnlichkeit zu aromatischen Verbindungen in Biomasse als Modellsubstrate dienten.[9]
Eine weitere Folge des voranschreitenden Erdölverbrauchs und der oben genannten umweltlichen Bedenken ist ein steigender Bedarf nach neuartigen Energieträgern. Wasserstoff (H2) wird als vielversprechender Kandidat gehandelt, da bei dessen Verbrennung lediglich umweltverträgliches Wasser entsteht. Wasserstoff, der molekular nur in geringen Mengen auf der Erde vorkommt, muss industriell durch Dampf-Reformierung von Erdgas gewonnen werden, was energieaufwändig ist (und zu einem zusätzlichen Ausstoß des Nebenprodukts CO2 führt). Darüber hinaus sind mit der H2-Speicherung, -Handhabung und -Transport Hindernisse verbunden, die überwunden werden müssen. Eine mögliche Lösung stellt die chemische Speicherung von Wasserstoff in Form von Ameisensäure dar. Daher entwickelten wir wasserlösliche Rhodium-Komplexe mit sulfonierten bis NHC-Liganden, die bei Raumtemperatur nicht nur effektiv die Reduktion von Hydrogencarbonaten zu Formiaten mit H2, sondern auch die Gewinnung von Wasserstoff aus Ameisensäure ermöglichen.[10]
Ein weiteres Forschungsgebiet, auf dem wir tätig sind, ist die Synthese von heterobimetallischen Komplexen mit anionischen N-heterozyklischen Dicarbenen (NHDCs) und deren Anwendung in bifunktionaler Katalyse. Kürzlich berichteten wir in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Baratta (Università di Udine) über den Pd/Ru NHDC-Komplex 3, in dem die Rutheniumzentren von den abnormalen und die Palladiumzentren von den normalen Carbenkohlenstoffatomen koordiniert werden (Abb. 2). Diese Verbindung stellt den ersten bekannten Katalysator dar, der die Tandem Suzuki-Miyaura Kreuzkupplungs-/ Transferhydrierungsreaktion von Bromacetophenonen und Boronsäuren zu Biphenylalkoholen ermöglicht. Der bimetallische Komplex weist dabei eine höhere Selektivität als zwei monometallische Spezies auf. Darüber hinaus ermöglicht er eine Reduktion an Syntheseschritten zu Biphenylalkoholen, was zu einem geringeren Lösungsmittelverbrauch und einer höheren Produktausbeute führt.[11] Derzeit beschäftigen wir uns mit der Entwicklung weiterer heterobimetallischer NHDC-Komplexe, die andersartige tandem-Reaktionen ermöglichen sollen.

Abbildung 2: Struktur des Pd/Ru NHDC-Katalysators 3 für die Tandem Suzuki-Miyaura-Kreuzkupplungs-/ Transferhydrierungsreaktion von Bromacetophenonen und Boronsäuren.[11]

 

3. Weitere Aspekte unserer Forschung

Auf dem breitgefächerten Gebiet der homogenen Katalyse beschäftigen wir uns nicht nur mit Übergangsmetall NHC- und (Transfer-)hydrierungs-Katalysatoren, sondern auch mit Molybdänverbindungen, die Epoxidationsreaktionen katalysieren. Kürzlich berichteten wir von den Molybdänkomplexen 4 und 5 mit einem bizyklischen Imidazo[1,5-a]-pyridin-3-yliden-Liganden (Abb. 3). Diese überbieten die meisten zuvor entwickelten Epoxidationskatalysatoren auf Molybdänbasis hinsichtlich ihrer Aktivität (TOF bis zu 53 100 h-1) und ermöglichen darüber hinaus die Umsetzung anspruchsvoller Substrate.[12]

Abbildung 3: ORTEP Darstellung von 4 und 5. Die thermischen Ellipsoide entsprechen einer 50%igen Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind Wasserstoffatome und Anionen nicht abgebildet.[12]

Neben Molybdän-basierten Katalysatoren ist auch die katalytische Anwendung molekularer Rheniumverbindungen fester Bestandteil unserer Forschung. Unlängst berichteten wir, dass Methyldioxorhenium (MDO), das in situ durch Reduktion von Methyltrioxorhenium (MTO) gebildet wird, eine effektive Spaltung von C-O Bindungen zahlreicher Lignin β-O-4 Modelverbindungen unter Bildung von phenolischen und aldehydischen Verbindungen ermöglicht. Diese Ergebnisse legen nahe, dass MDO ein vielversprechender Kandidat für die anspruchsvolle Depolymerisierung von Lignin ist, das als nachhaltige Kohlenstoffquelle der Zukunft angesehen wird.[13]

Weitere Forschungsprojekte zur Entwicklung effizienter Katalysatoren für industrielle Anwendungen jenseits reinen akademischen Interesses werden in enger Zusammenarbeit mit Chemieunternehmen durchgeführt. Nichtsdestotrotz werden im Rahmen dieser Projekte mechanistische und spektroskopische Untersuchungen zu einem besseren Verständnis und weiterer Optimierung dieser Systeme durchgeführt.

Literatur

[1] K. Riener, S. Haslinger, A. Raba, M. P. Högerl, M. Cokoja, W. A. Herrmann, F. E. Kühn, Chem. Rev. 2014, 114, 5215-5272.
[2] A. Raba, M. Cokoja, W. A. Herrmann, F. E. Kühn, Chem. Commun. 2014, 50, 11454-11457.
[3] J. W. Kück, A. Raba, I. I. E. Markovits, M. Cokoja, F. E. Kühn, ChemCatChem 2014, 6, 1882-1886.
[4] M. R. Anneser, S. Haslinger, A. Pöthig, M. Cokoja, J.-M. Basset, F. E. Kühn, Inorg. Chem. 2015, 54, 3797-3804.
[5] P. Altmann, M. Cokoja, F. E. Kühn, Eur. J. Inorg. Chem. 2012, 2012, 3235-3239.
[6] J. W. Kück, M. R. Anneser, B. Hofmann, A. Pöthig, M. Cokoja, F. E. Kühn, ChemSusChem 2015, 8, 4056-4063.
[7] R. Zhong, A. C. Lindhorst, F. J. Groche, F. E. Kühn, Chem. Rev. 2017, 117, 1970-2058.
[8] a) A. Raba, M. Cokoja, S. Ewald, K. Riener, E. Herdtweck, A. Pöthig, W. A. Herrmann, F. E. Kühn, Organometallics 2012, 31, 2793-2800; b) S. Haslinger, J. W. Kück, E. M. Hahn, M. Cokoja, A. Pöthig, J. M. Basset, F. E. Kühn, Inorg. Chem. 2014, 53, 11573-11583.
[9] D. Jantke, M. Cokoja, M. Drees, W. A. Herrmann, F. E. Kühn, ChemCatChem 2013, 5, 3241-3248.
[10] D. Jantke, L. Pardatscher, M. Drees, M. Cokoja, W. A. Herrmann, F. E. Kühn, ChemSusChem 2016, 9, 2849-2854.
[11] M. J. Bitzer, F. E. Kühn, W. Baratta, J. Catal. 2016, 338, 222-226.
[12] A. Schmidt, N. Grover, T. K. Zimmermann, L. Graser, M. Cokoja, A. Pöthig, F. E. Kühn, J. Catal. 2014, 319, 119-126.
[13] R. G. Harms, I. I. E. Markovits, M. Drees, W. A. Herrmann, M. Cokoja, F. E. Kühn, ChemSusChem 2014, 7, 429-434.


Medizinische Chemie

Seit der Entdeckung von Cisplatin (cis-Diammindichloroplatin(II), [Pt(NH3)2(Cl)2]) 1965 durch B. Rosenberg und dessen Zulassung als Antitumormedikament 1978, findet es vor allem Anwendung in der Therapie unterschiedlicher Krebserkrankungen. Da Cisplatin jedoch nicht nur zytotoxische Wirkung gegen Krebszellen, sondern auch gegen gesunde (überwiegend schnell wachsende) Zellen aufweist, führt die Anwendung zu starken Nebenwirkungen, wie die Schädigung des Nervensystems. Auch die Entwicklung von Resistenzen stellt ein Problem dar. Um die Lebensqualität sowie die Lebenserwartung von Krebspatienten zu erhöhen, wird seit vielen Jahren daran geforscht, die Platinresistenzen zu überwinden, die Nebenwirkungen deutlich zu verringern und die Wirkung der Medikamente durch gezieltere Adressierung der Krebszellen zu verbessern. Ein weiteres prominentes Beispiel für medizinisch relevante, anorganische Verbindungen ist Auranofin, ein Gold(I)-Thiolat-Phosphan Komplex, der für die Behandlung von rheumatoider Arthritis angewendet wird. Durch die hohe Bindungsaffinität von Goldionen und Schwefel wechselwirken Goldkomplexe vor allem mit schwefelhaltigen Peptiden/Enzymen, wie die Glutathion-Reduktase (GSR), Thioredoxin-Reduktase (TrxR) und Cystein-Proteasen. Sind diese Enzyme in Krebszellen vermehrt vorhanden, stellen sie geeignete Zielstrukturen für die Krebstherapie mittels Goldverbindungen dar.[1]
In Kooperation mit Prof. Dr. Angela Casini (Universität Cardiff) wird an der Synthese unterschiedlicher mono- und bis-N-heterozyklischen (NHC) Carbenkomplexen des Goldes(I/III) sowie cyclometallierten Gold(III) Komplexen und deren Anwendungen geforscht. Diese Verbindungen werden mittels NMR, MS und SC-XRD charakterisiert und in Zelltests auf ihre zytotoxischen und antiproliferativen Effekte untersucht.[2-4] Im Bereich der supramolekularen Chemie werden ebenfalls in Kooperation mit Prof. Dr. Casini, die Modifikationen übergangsmetallbasierter M2L4 (M = Metall, L = Ligand) Käfigstrukturen untersucht. Diese sind ein geeignetes, zielgerichtetes Wirkstofftransportsystem für Cisplatin, wodurch dessen Nebenwirkungen verringert werden und gleichzeitig die Wirkung bei geringerer Dosis erhöht wird.[5-8]
Ein weiteres Forschungsthema ist das Gebiet der peptidbasierten Übergansmetallkomplexe des Goldes und Rutheniums, welches in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. João Correia (Universität Lissabon) bearbeitet wird. Durch die Kombination von zytotoxischen Metallkomplexen und bekannten Peptidliganden, die gezielt mit überexprimierten Rezeptoren an der Oberfläche von Krebszellen wechselwirken, wird auch hier an der gezielteren Therapie von Krebserkrankungen geforscht.[9]
Des Weiteren werden Teile der biologischen Evaluierung der potentiell medizinisch anwendbaren Verbindungen in Kooperation mit Prof. Dr. Sieber (TUM) realisiert, was zu Publikationen in 2016 und 2017 führte.[4, 8]

Literatur

[1]     F. E. Kühn and A. Schmidt, Chemie in unserer Zeit, 2017, 51, 86-95.
[2]     Ö. Karaca, V. Scalcon, S. M. Meier-Menches, R. Bonsignore, J. M. J. L. Brouwer, F. Tonolo, A. Folda, M. P. Rigobello, F. E. Kühn and A. Casini, Inorganic Chemistry, 2017, 56, 14237-14250.
[3]     S. Jürgens, F. E. Kühn and A. Casini, Curr Med Chem, 2018, 25, 437-461.
[4]     J. Rieb, B. Dominelli, D. Mayer, C. Jandl, J. Drechsel, W. Heydenreuter, S. A. Sieber and F. E. Kühn, Dalton Transactions, 2017, 46, 2722-2735.
[5]     A. Schmidt, A. Casini and F. E. Kühn, Coordination Chemistry Reviews, 2014, 275, 19-36.
[6]     A. Schmidt, M. Hollering, M. Drees, A. Casini and F. E. Kühn, Dalton Transactions, 2016, 45, 8556-8565.
[7]     A. Schmidt, V. Molano, M. Hollering, A. Pöthig, A. Casini and F. E. Kühn, Chemistry – A European Journal, 2016, 22, 2253-2256.
[8]     F. Kaiser, A. Schmidt, W. Heydenreuter, P. J. Altmann, A. Casini, S. A. Sieber and F. E. Kühn, European Journal of Inorganic Chemistry, 2016, 2016, 5189-5196.
[9]     E. M. Hahn, N. Estrada‐Ortiz, J. Han, V. F. C. Ferreira, T. G. Kapp, J. D. G. Correia, A. Casini and F. E. Kühn, European Journal of Inorganic Chemistry, 2017, 2017, 1667-1672.